Wie alles begann
von Sarah Heuzeroth
Die Geschichte der Gemüsevögel begann im März 2020, während Corona gerade zum ersten Mal Fahrt aufnahmt. Auftragsprojekte verzögerten sich, und ich hatte auf einmal Leerlauf. Nur aus Spaß illustrierte ich in dieser Zeit ein Wortspiel, das sich mein Freund am Frühstückstisch ausgedacht hat: Den Wellenrettich.
Was anfangs als kleiner Insider-Witz gedacht war, entwickelte sich weiter, nachdem der Wellenrettich auf Instagram landete. Den Wellenrettich postete ich zu einer Zeit, als die Corona-Krise so richtig spürbar wurde. Die Newsfeeds in den sozialen Medien waren gefüllt mit Viren-Updates und Bastelanleitungen für Mundschutze. Der Wellenrettich war für viele zumindest für einen kurzen Moment eine willkommene Ablenkung von der allgegenwärtigen Präsenz von Covid-19. Denn die ersten Rückmeldungen waren: "Schön, in ‚Zeiten wie diesen‘ mal sowas
Leichtes und Lustiges zu sehen." Die Community reagierte so positiv darauf, dass ich motiviert war, mir immer neue gefiederte Wortspiele auszudenken: Die Gemüsevögel waren geboren.
Rotköhlchen, Kolkrabi, Möhrwe. Ein Gemüsevogel reihte sich an den Nächsten. Zeit spielte keine Rolle, wenn ich Gemüsevögel zeichnete. Ich hatte kein Ziel und keine Pläne, sondern nur die Freude an der Erstellung und daran, den Spaß mit anderen zu teilen. Die unendliche Leichtigkeit der Gemüsevögel. Vielleicht war dies von Beginn an ein Teil des Zaubers, der den Gemüsevögeln anhaftet: die pure Freude an der Kreativität, erstmal jenseits von Verwertbarkeit und Nutzen.
Letztendlich erkenne ich im Nachhinein trotz allem Zufall und aller Spontanität natürlich eine klare Methodik: Bei den Illustrationen geht es darum, die wesentlichen, artspezifischen Merkmale der Vögel und Gemüsesorten
herausfiltern, sie einmal kontrolliert zu durchmischen und stimmig zu etwas Neuem
zu verknüpfen. Die Kunst – und auch der Witz – dieser Verbindung
besteht unter anderem darin, Teilen des Einen eine neue Funktion im Anderen
zu geben: Eine Wurzel wird zum Körper, Blätter zu Flügeln. Pflanzlichen Extremitäten wird eine geradezu absurde körperliche Funktionalität unterstellt. Die schöne Herausforderung für mich ist: Trotz aller Entfremdung und Umdeutung
müssen die Merkmale der einzelnen Art soweit erhalten bleiben, dass sie intuitiv
erkennbar und zuordbar bleiben – sei es mittels charakteristischen
Formen oder über deutliche Farbgebungen. Neben der Schaffensfreude waren die Gemüsevögel auch eine tolle Spielwiese, um meine Maltechniken zu verfeinern, mich auszuprobieren und eigene Illustrationen abseits von Auftragsprojekten zu erstellen.
Auf die vermehrte Nachfrage in der Community entstand als erstes ein Postkartenset mit 10 Gemüsevögeln, das ich über meinen Etsy-Shop vertrieb und den ich von da an stückweise ausbaute. Nachdem ich mehr als ein Jahr lang eher semi-professionell aus meinem Schlafzimmer heraus Poster und Postkarten über den Etsy-Shop vertrieb, haben sich die Gemüsevögel durch Olaf Krüger zu einer neuen Dimension entwickelt und erstmals richtig professionalisiert. Über einen Zeitraum von 3 Jahren bauten wir die Produktwelt immer weiter aus, während ich auch stetig weiter neue Gemüsevögel schaffe. Seither können auch kleine Läden im gesamten DACH-Raum Gemüsevögel bei sich verkaufen. Die Gemüsevögel in die Welt zu bringen und anderen eine Freude zu machen ist nach wie vor ein zentraler Treiber bei der Entwicklung neuer Produkte. Mittlerweile gibt es 34 Gemüsevögel und jedes Jahr entstehen neue Kreationen.
Teile dieses Textes stammen aus einem Artikel über die Gemüsevögel im Einssiebenacht, dem studentischen Magazin der HAW Hamburg, Sommer 2020